Ist Architektur noch erforderlich, noch zeitgemäß, brauchen wir noch Architektur?

Ist Architektur noch erforderlich, noch zeitgemäß, brauchen wir noch Architektur?

Festrede Günter Behnisch, Architektenkammer Rheinland-Pfalz, November 1972

Ist Architektur noch erforderlich, noch zeitgemäß, brauchen wir
noch Architektur?
So und ähnlich lauten Themen, die in diesen Tagen dort, wo
Architekten sich treffen, vorgetragen werden; und man ist
- infolge einer gewissen Müdigkeit - versucht, diese Fragen
kurz und bündig mit "ja" zu beantworten, denn wir wissen, daß
Architektur seit nunmehr 5 000 Jahren nachweisbar ist, und es
läßt sich schnell fragen: Warum sollte das jetzt anders sein?

Schwieriger wird es, wenn wir fragen, was Architektur nun sei.
Gestaltete Umwelt - als Begriff unserer Zeit, Baukunst, das
Schaffen von Räumen, Baugestaltung, Ordnung schaffen.

Wir können uns leicht auf diese Begriffe hin einigen - solange wir
nicht fragen, wie und nach welcher Ordnung wir unsere Umwelt gestalten
wollen, was denn nun am Bauen die Kunst sei, welche
Räume wir gestalten (Euklidische Räume oder vielleicht Geistige
Räume), und welche Gestalt aus welchem Weltbild heraus nun dieser
Bau haben solle.

Und, daran schließt sich die Frage nach dem Stil, nach dem Baustil.
Wir hören dabei den Vorwurf, daß unser Bauen heute doch
eigentlich recht stillos sei, mit dem Hinweis, daß dies früher anders,
nicht so gewesen sei, daß früher einheitliche, verbindende und verbindliche
Stile und Stilvorstellungen selbstverständlich waren und daß
wir uns, wir als Architekten - und besonders wir, als Architekturlehrer
- doch nun endlich bemühen sollten, einen einheitlichen Stil,
eine neue Architektur zu schaffen.
Als wenn das so ginge, einfach so vom Ende her, gewissermaßen das
Pferd am Schwanze aufgezäumt,

Schon ein flüchtiger Blick in die Geschichte zeigt uns, daß Stil Ausdruck
einer Welt mit einem Weltbild ist, Stil ist nicht machbar, Ein alter
Plan Babylons soll die Stadt in der Mitte eines weiten kreisförmigen
Bereiches am Ufer des Flusses Amer zeigen, was der Vorstellung der
Sumerer vom Paradies entsprach, Babylon war also das "Doppel"
des Ortes, an den der erste Mensch geschaffen worden war. Die
hängenden Gärten waren für die Menschen des Altertums ein irdisches
Paradies, das zum Himmel aufstrebte, um die Gleichheit
der Hauptstadt mit ihrem göttlichen Vorbild herzustellen, Sie
waren nicht oder nicht zuerst: Freizeiteinrichtungen. In dieser
Welt stellte jede Handlung eine Wiederholung einer göttlichen Geste
dar (siehe Benoist-Méchin: Alexander der Große).
Auch in frühchristlicher Zeit, in der Offenbarung des Johannes,
wird uns ein Jerusalem Gottes in seiner Gestalt deutlich beschrieben.

Nach solchen hohen Bildern, nach denen sich das Leben auf Erden
innerhalb einer Welt über lange Zeiträume hinweg entwickelte,
entwickeln sich Gestalt, Architektur, Stil, Also:
Ein Stil einer Welt mit einem Weltbild.

Im 18. Jahrhundert finden wir letztmalig in der neueren Zeit eine
offensichtliche Übereinstimmung zwischen Gesellschaft und Gebautem.
Eine Teilübereinstimmung zwar nur - nicht diese komplexe Übereinstimmung
der alten Welt - aber immerhin eine sichtbare Übereinstimmung
von Gebautem nun mit der sozialen Struktur und den
Idealen der an der Herrschaft Teilhabenden, bzw. der sich an den
Herrschenden Orientierenden. Diese Einheit betraf den Lebensraum
der Stadt; also das Haus, die Stadtanlage und deren Umgebung. Diese
Einheit zerfiel und - nach einem Wort Max Trauts - der Mensch und
die Dinge stehen seitdem, seit dem Beginn der Industrialisierung,
einer Fülle von Machtansprüchen gegenüber.

Nicht mehr vorhanden ist das einheitliche oder wenigstens verbindliche
Weltbild; die Organisation unserer Welt ist differenziert, undurchsichtig,

die Macht wird von denen ausgeübt, die Verantwortung tragen
sollen und die Verantwortung wird von wenigen, die Macht besitzen
und Macht ausüben, übernommen.

Unsere Architektur ist der Spiegel unseres Lebens, unseres Zusammenlebens,
unseres Bildes vom Leben, unserer Ideale.

Wie steht es damit:
Ein uneinheitliches, willkürliches, differenziertes, spezialisiertes,
materialistisches Weltbild verbunden mit nicht offenliegenden, nicht
mit der demokratischen Ordnung sich deckenden Machtstrukturen - so
sehen wir unsere Zeit - was soll da wohl beim Bauen als Baukunst,
Architektur, Stil sich ergeben?

Unsere Architektur muß einfach dieses Weltbild ausdrücken.
Und so können wir es auch verstehen, daß die Wertstelle im Bilde
des Stadtplanes, die früher vom Gefängnis und von der Kaserne eingenommen
wurde, - wir kennen sicher alle Stadtpläne und den diesen
Planfiguren eigenen deutl.ichen Ausdruck des ungeschmälerten Machtanspruchs
- heute Gesamtschulen überlassen bleibt, Formen, Gestalten,
die die Wertvorstellungen der Organisation ausdrücken, die dem Einzelnen
keinen Raum geben - es sei denn, dem von diesen Managern
vorbestimmten, zugeteilten Raum.

Eigentlich hatten wir gehofft, daß - um bei dem einen Beispiel zu bleiben
- die Schule der Platz, die Zeit sein könnte, in der der heranwachsende
und später reifende Mensch sich selbst und seinen Platz in seiner Zeit finden
könnte. Davon ist in mancher großen Schuleinheit nichts zu spüren.
Raum ist dort nur geometrischer oder materieller Raum. Das ist das
Vulgäre. Dort wird ignoriert, daß Gebautes auch - ich meine sogar erstrangig
- geistige Räume umschließt.

Adolf Arndt sagte dazu:
Da Bauen ein Bleiben will oder nach einem anderen Worte Heideggers:
Ein Stiften und Fügen von Räumen ist bei den verschiedenen Arten einer
Herrschaft über das Volk ablesbar, wer zu bleiben entschlossen ist,
was bleiben soll, und daß die Räume, die dazu gefügt werden, auch
geistige Räume oder Räume des Ungeistes sind.

Wir meinen nicht, daß wir die Opfer einer Verschwörung geworden sind.
Wir fragen uns jedoch, wie es dazu gekommen ist. So hatten wir doch
nach dem Kriege nicht begonnen. Wir wollten doch die geistige Erneuerung
- human, christlich, demokratisch.

Die 50-er Jahre machten einen vielversprechenden Anfang. In der Architektur,
sicher ohne Zucht, jedoch vital, offen und bereit, eine menschliche
Welt zu bauen. Die Wohnhäuser waren kleiner, vielfältiger, die
Schulen, Bürobauten ebenso, die Straßenräume wurden beachtet, sie
waren noch nicht zur Fahrbahn spezialisiert. Jedenfalls ist das der Gesamteindruck.
Alles war sehr unvollkommen.

Was hat sich geändert?
Nun, das ist nicht schwer erkennbar.
Alles ist größer und mächtiger geworden. Die Macht hat sich - zumindest
beim Bauen - vom Geist und vom demokratischen Auftrag gelöst. Die Organisation,
die als Realisierungsmittel gedacht war und als solche eingerichtet wurde, hat sich verselbständigt. Diese Organisationen arbeiten nun vorwiegend
aus ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit heraus und nicht mehr im Auftrage
des souveränen Volkes und schon gar nicht von diesem kontrolliert.

So kommt es, daß große Stücke aus unserer Welt herausgeschnitten werden:
Grundstücke, Produktionskapazitäten, Kapital - aber auch immaterielle
Stücke wie Einfluß oder Bildungsmöglichkeit, Freiheit des Menschen usw.

Diese großen Stücke werden so von ihren Bezügen gelöst, sie werden
damit der Gefahr, der Wahrscheinlichkeit ausgeliefert, sinnwidrig zu
werden, isoliert zu werden und dann, wenn sie isoliert sind, nach den
Bildern und Gesetzen der Organisation gestaltet und damit nicht nur
geistlos, sondern Ungeist.

So entsteht eine grobe Welt, in große ungegliederte Einheiten unterteilt,
von oben nach unten geordnet, weiche Übergänge, freie Zwischenräume
fehlen; anstelle des "sowohl als auch" steht das "entweder- oder",
eine Welt, die sich dem Menschen nicht anpaßt, ihm nicht entspricht, die
vielmehr verlangt, daß der Mensch sich ändere,
aber - das müssen wir einräumen - sie ist gut verwaltbar.

Die diesen Vorgang uns anzeigenden Begriffe lauten: Rationalisierung,
Minimierung, Maximierung, Konzentration, Marktanteil, Produktbereinigung,
Verwaltungsvereinfachung, Makrostruktur usw. - und auch Kostengarantie,
Termingarantie.

Schon recht! Aber zu welchem Preis!

Die Vielfältigkeit, die Harmonie, die Geschlossenheit, die Schönheit,
die Möglichkeit zum Erkennen unserer Welt ist hierbei nicht gegeben,
Wir verstehen Schönheit hier in der Übereinstimmung der Teile miteinander
und mit dem Ganzen. Ein Begriff der Antike. Das Erkennen
dieser richtigen Übereinstimmung der Teile miteinander und mit dem
Ganzen führt so zum Erlebnis der Schönheit selbst, Damit ist der
Weg zum Schönen gleich dem Weg der Erkenntnis.

PAUSE

Uns - wir meinen: jedem Menschen - scheinen Bilder der Harmonie,
dieser Schönheit, vielleicht des Paradieses, vorgegeben, mitgegeben
zu sein. Das Erfassen dieser Ideen ist künstlerisches Schauen, Ahnen.
Es bedarf nicht des rationalen Nachweises.

Das klingt fremd, wenn wir diese Bilder nicht wahrnehmen, solange
wir uns des Verlustes der Harmonie zwischen Außen und diesen
Symbolen nicht bewußt werden. Wenn wir diese Bilder allerdings
wahrnehmen, dann müssen wir schon sehr verhärtet sein, vielleicht
auch sehr beschäftigt sein wollen, wenn wir dann nicht den Versuch
unternehmen würden, das mittels unserer Sinne Wahrgenommene
mit diesen uns vorgegebenen Bildern in Einklang zu bringen.
Und so ist es einerseits verständlich, daß diejenigen, die sich ausschließlich
ihrer Verstandeskräfte bedienen, sich weiter und weiter
von der Schönheit entfernen, sich entfernen müssen; denn sie leben
nach einem außenliegenden Bilde.

Und daß andererseits diejenigen, die ihre vorgegebenen Bilder
deutlicher ahnen, daß diejenigen, die die Diskrepanz zwischen äußerer
Welt und Schönheit besonders verspüren, sich einmal
nach rückwärts (zeitlich gesehen) orientieren, in dem Bemühen,
das verlorene Paradies zu suchen in Dingen, die aus Zeiten stammen,
die wir als harmonisch erkannt zu haben glauben - zumindest im Vergleich
zu unserer Zeit - und es ist unwesentlich dabei, daß wir vermuten, daß
diese Zeiten nur relativ harmonischer gewesen sein mögen;
und daß zum anderen nach vorne gerichtet: Utopien entwickelt werden,
So erkläre ich mir den Wunsch nach alten Möbeln, die Tatsache, daß
Goldschmiede Ringe, Armbänder, Broschen, Ketten, nach
alten Vorlagen entwerfen, den Wunsch, in einer alten Wassermühle
zu wohnen, schmiedeeiserne Gitter zu besitzen, Barockmusik zu hören
und zu spielen und vieles andere mehr.

Tatsächlich ist handwerkliche Konstruktion, das steinerne Gewölbe, das
Holzfachwerk, die Natursteinmauer für uns das Symbol für diese verlorene
Einheit der äußeren mit der inneren Welt geworden. Mit Staunen
erleben wir diese Einheit, diese vermeintlich zeitlose Einheit in alten
Stadtbildern, alten Gebäuden - wie zum Beispiel den Gebäuden, Räumen,
Orten griechischer Inseln.

Und so ist auf der anderen Seite auch der Versuch, unsere Probleme
- z.T. für das Zusammenleben in der Stadt - mit utopischen, technischen
Mitteln zu lösen, zu verstehen. (Hierzu gehören die konstruktiven
Stadt- Strukturen, die - würden sie angewandt - nicht Freiheit in der
Ordnung, sondern Unfreiheit - geradezu die Gefängnisgitter verfestigen
würden) - Die technischen Mittel sind nunmal die Mittel, die die Verfasser
dieser Utopien beherrschen. Wir wissen sicher alle, daß die
Diskrepanz zwischen unserer Welt und unserm Bild von der Welt
mit Technik schon überhaupt nicht aufgehoben werden kann. Wir wissen das, und die
Verfasser dieser Utopie wissen das sicher auch.

Wir sollten diese Exerzitien akzeptieren, genau so wie wir verstehen
sollten, wenn unser Bauherr einen Bauernschrank, eine alte
Mehlmulde und andere Reliquien mit in das von uns geplante Haus
einbringt.

Wir haben festgestellt, daß unsere Welt sich weiter von unserem Bild,
vom Bilde unserer Welt entfernt und

wir haben festgestellt, daß unsere Architektur - jetzt vielleicht besser
Umwelt - ein Spiegel dieser unserer äußeren Welt ist und daß das, was
sie widerspiegelt, wenig schön ist.

Wenn wir dies erkennen, dann müssen wir auch verstehen, daß unsere
Studenten meinen, daß der Architekt nicht der "baulichen Verschönerung"
einer ihrer Meinung nach als solche erkannten "rniserablen Ordnung"
dienen soll; sondern, daß er zu allererst politisch aktiv diese Ordnung
zu verbessern habe. Und sie können sich dabei berufen auf kluge Männer,
wie z. B. Adolf Arndt, der sagte, daß im politischen Sinne die Frage nach
dem Bauen, die Frage nach dem Menschen sei.

Wir erkennen, daß Arndt so nur halb verstanden wurde und wir akzeptieren
den von Studenten so formulierten Auftrag als Auftrag an den fachkundigen
Bürger.

Daneben haben wir als Architekt einen anderen Auftrag. Es ist der Auftrag
an den Künstler, der darin besteht, die Distanz, die Diskrepanz
zwischen unseren Symbolen, Bildern und der mittels unserer Sinne
wahrnehmbaren Welt zu überwinden, besser zu überbrücken.

Der Architekt muß das Bild ahnen, schauen. Er kann dann nicht mehr
einfach die Daten von gestern und heute fortschreiben und die Kurve
bis morgen und übermorgen verlängern, und danach ein Planungsverfahren
einleiten. Sicher - so kann man seine Entwürfe auch finden -
aber das sind dann keine Architekturentwürfe.

Die Stadt ist mehr als ein Wirtschaftsbetrieb, die Straße mehr als eine
Fahrbahn und die Wohnung mehr als Kubikmeter umbauten Raumes.

Wir dürfen es uns und anderen nicht gestatten, daß wir ausschließlich
auf die banale Art in Anspruch genommen werden. Als Erfüllungsgehilfe,
der Häuser, Wohnungsbauten, Produktionsstätten - möglichst mit Termin und
Kostengarantie - entsprechend den deutschen Industrienormen und
den einschlägigen technischen Vorschriften plant, der produktionsgerecht,
unter maximaler Ausnutzung des Grundstückes und schadensfrei erstellen
läßt, und der das dabei anfallende Risiko der Bauherrschaft abnimmt und
versichern läßt.

Das Genannte stellt zum Teil den handwerklichen Teil unserer Leistung
dar, wenn man bedenkt, daß als Spezifikum des Handwerkes gilt, die Wiederholung
bekannter Tätigkeiten - selbstverständlich zum Teil mit meisterlichem
Können. Ich meine, hierfür braucht es nicht unbedingt des Architekten.
Das können Handwerker und Unternehmer - von mir aus Generalunternehmer -
besorgen.

Es ist die Aufgabe des Architekten, die Umwelt, die Technik, die
Notwendigkeiten des täglichen Lebens mit dem Menschen zu versöhnen
- oder auch den Menschen mit diesen Notwendigkeiten zu versöhnen.

Gestalterisches Können, noch mehr menschliche, künstlerische Qualitäten
sind dafür Voraussetzung.

An dieser Aufgabe haben alle großen Architekten gearbeitet.

Der Verfasser des nun 2 000 Jahre alten, des ältesten uns überlieferten
Werkes über Architektur – Vitruv - beginnt sein Werk mit der Darstellung
der Qualifikation des Architekten, behandelt dann die ästhetischen Grundbegriffe
und architektonischen Ordnungsregeln, um sich dann erst im
zweiten Band der Bautechnik und den Baustoffen zuzuwenden.

Frank Lloyd Wright sagt, daß ein Gebäude sich zwar der Wirklichkeit
stellt - und Wirklichkeit ist, daß es darüber hinaus jedoch zur Befreiung
des Lebens beiträgt, daß es das alltägliche Leben lebenswerter und alles
Notwendige glücklicher macht.

Er sagt: Wahre Architektur ist Poesie. Wie wären seine schönen Häuser
sonst zu verstehen, wenn er das Bild der Schönheit nicht hätte sehen können.
Das Erkennen der Schönheit bedeutet Glück. Nicht nur für Frank Lloyd Wright,
sondern auch für jene, die seine Häuser bewohnen und für die, die diese
Häuser anschauen und für die, die an diesen Häusern vorübergehen, die von
ihnen wissen, die vielleicht nur ahnen, daß es diese Häuser gibt,

Auch Le Corbusier bezieht sich oft und akzentuiert auf die Poesie.

Wie wollten wir uns Ronchamp erklären, wenn wir nicht annehmen würden,
daß Le Corbusier das Bild von Schweigen und Besinnung, Gebet, Frieden
und Harmonie in sich hatte.

Wie wollten wir Strifflers Kirche in Dachau verstehen, wenn wir das Bild
von Furcht und Scham vor Gott nicht sehen.

Scharoun muß das Bild von Musik und Harmonie in sich getragen haben,
ehe er die Philharmonie planen konnte.

Und:
Mies van der Rohe wollte die Distanz zwischen Bild und Wirklichkeit,
Mensch und Welt, durch die ästhetische Überhöhung seiner Werke überwinden,

Meine Damen und Herren, die Zeiten, die Äußerlichkeiten haben sich
geändert.
Das Problem ist das gleiche geblieben.

Vielleicht sollten wir wieder einmal Hugo Härings 1947 aufgeschriebenes
"Gespräch mit Chen Kuan Li über einige Dachprofile" lesen.

Die Beschäftigung mit der Form ist für den Architekten kein äußerliches
Problem - es ist seine eigentliche Aufgabe,

Herr Präsident, lieber Kollege Krimm, Sie haben mich gefragt, ob
Architektur notwendig sei.

Und:
Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Architektur notwendig, heute
besonders notwendig ist. Sie ist damit auch zeitgernäß.

Ich spreche damit zwei Personen an:

1) Den Architekten mit der Bitte, Architekt zu sein. Ich meine, daß
unser Architektenleben seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat,
wenn wir in die Architektenliste eingetragen sind, und ich hoffe,
daß wir uns einig sind darin, daß die hohe Wertung des Vorentwurfes,
Entwurfes und der künstlerischen Oberleitung in der Gebührenordnung
für Architekten zuerst eine Verpflichtung darstellt.

2) Den Bauherrn mit der Bitte, den Architekten sorgfältig auszusuchen,
ihn nicht etwa gar ausschalten zu lassen. Wir wissen, wie verführerisch
z.B. für den notwendigerweise am Tageserfolg interessierten
Politiker die leistungsfähige Allianz von Administration und Bauindustrie
sein kann.

Bei dem langen Leben von Gebäuden - bei der Bedeutung, die wir Gebauten
zumessen - fehlen da tatsächlich einige Monate für die sorgfältige Arbeit
des Architekten? Fehlt das Geld für einen guten Architekten? Oder ist
der Architekt unbequem in seinem Bemühen, die Banalität zu überwinden?
Der Architekt, der doch der einzige in diesem Spiel ist, der bewirken
kann, daß das, was wir bauen, Architektur werde!

Glücklicherweise gibt es eine Zahl, eine gute Zahl von Beispielen, bei deren
Vorbereitung Bauherr und Architekt ihre Aufgabe erkannt und erfüllt haben.
Gute Bauten. Einige davon werden heute von der Architektenkammer Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.

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